Istanbul not Konstantinopel – oder Byzanz?

Ich mache heute einen Spaziergang durch Byzanz und Konstantinopel!

Byzantium, Nova-Roma, Konstantinopel, Poli, Gostantnubolis, Caringrad, Kostantiniyye, Istanbul? Diese Stadt ist einfach alles, eine Stadt die voller Geschichte und Geschichten steckt. Geschichte ist hier im wahrsten Sinne des Wortes geschichtet. Im modernen Istanbul von heute, einem Moloch von 12.000.000 Einwohnern finden sich überall Spuren der Vergangenheit.

Heute werde ich Byzanz anschauen. Ich begebe mich auf eine Zeitreise zum 27. Januar 477 nach Christus in die oströmische Hauptstadt.

Die Stadtmauer von Byzanz: Die Theodosianische Mauer

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_P1140035Der Autobahnring führt entlang der Theodosianischen Landmauer

27. Januar 477

Einen denkbar ungünstigen Tag habe ich mir für meinen Spaziergang entlang der Stadtmauer ausgesucht. Überall herrscht Aufruhr und Panik: Ein Erdbeben hat in der Nacht die Theodosische Stadtmauer teilweise zerstört. Und das ausgerechnet jetzt: die Hunnen unter Attila bedrohen Byzanz, das Land um das goldene Horn ist verwüstet. „Fliegende Kommandos“ von ca. 16.000 Mann werden die Gräben von Schutt befreien und Mauern und Türme wieder aufbauen – jeder muss Helfen. Das sind die Byzantiner gewohnt, auch in Friedenszeiten müssen sich alle Bürger an der Instandhaltung der Mauer beteiligen. Werden die Byzantiner es schaffen, die Befestigungsanlage wieder zu errichten bevor der Hunnenkönig angreift?

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660 v.Chr.

Byzanz blickt sogar im Jahre 477 bereits auf fast 1000 Jahre Geschichte zurück, seit es von dorischen Griechen 660 v.Chr. gegründet wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt hat die geographisch hervorragend gelegene und heiss begehrte Stadt eine turbulente Zeit hinter sich:

513 v.Chr. – 236 n.Chr.

Zuerst innergriechischen Konflikte, 513 v.Chr Invasion des Perserkönigs Darius, 478 v.Chr von Sparta besetzt, 196 nach Chr. von dem römischen Kaiser Septimus Severus zerstört, dann wieder aufgebaut, 236 von den Goten geplündert… Was für uns langweilige Aufzählungen von Zahlen und Namen sind, war für die Bevölkerungs von Byzanz Zerstörung, Vertreibung, Tränen und Tod. Nur kurz nachdem Kaiser Konstantin 324 die beiden Teile des Römischen Reiches vereinte und Byzanz als „Nova-Roma“ zur Hautpstadt ernannte, wurden die Stadgrenzen der Konstantinischen Mauer zu klein. Es war höchste Zeit, dass Anfang des 4.Jhds die Stadgrenzen erweitert und der Bau der neuen Theodosischen Stadtmauer beendet wurde.

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27. Januar 477

Zurück ins Jahre 477. Ich laufe nur ein Stück entlang der Theodosischen Mauer, inklusive der Seemauern ist sie fast 20km lang und die Landmauer beeindruckende 70 Meter breit. Natürlich befinde ich mich innerhalb der Stadtgrenze (will mich ja nicht von Attila erwischen lassen). Das neue Stadtgebiet wurde sehr großzügig angelegt. Die meisten Teile sind noch nicht bebaut, es wird Obst und Gemüse angebaut und Vieh gehalten. Aber jetzt herrscht Ausnahmezustand, es ist kein Durchkommen. Ich ärgere mich, dass ich mir keinen besseren Tag für meinen Ausflug ausgesucht habe. Zum Beispiel einen der Tage, an denen auf der Mauer eine der Prozessionen für die Heilige Maria, die Schutzherrin der Anlage stattfindet. Die hielten die Anwohner für Wirksamer als all die militärischen Vorkehrungen. Obwohl das kein besserer Tag gewesen wäre – diese Prozessionen finden immer bei Belagerungen statt.

Übrigens: Ja, sie haben es geschafft die Befestigunsanlage rechtzeitig wieder aufzubauen. Innerhalt von 2 Monaten wurde die Stadtmauer, höher und mit einer zusätzlichen Mauer, wieder aufgebaut. Attila und sein Heer hatte keine Chance. Nach dieser Pleite fiel er stattdessen ins Weströmische Reich ein.

Chora Kirche

5.Jahrhundert

Ich gehe weiter zur Chora Kirche (Kariye Camii). Chora bedeutet „Umland“, denn als die Klosterkirche im 5.Jhd gebaut wurde, lag sie noch ausserhalb der Stadtmauern. Erst zwischen 1215 und 1217 wird die Chora Kirche mit ihren beeindruckenden Mosaiken und Fresken und ausgestattet werden für die sie berühmt ist.

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L1123274Als die Kirche in eine Moschee umgewandelt wurde, verschwanen die Mosaike und Fresken unter Putz. 

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L1123264Mitte des 20.Jahrhunderst wurden sie wieder freigelegt

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L1123252Die Mosaike zeigen biblische Szenen von den Vorfahren Jesu bis zum Welgericht

Valens Aquädukt

375 n.Chr.

Von Konstantin dem Großen begonnen und unter Kaiser Flavius Valens  375 fertiggestellt, versorgte das nach ihm benannte Valens Aquädukt über 1500 Jahre lang die Stadt mit Wasser aus dem nahe gelegenem Belgrader Wald.20150120_istanbul-fatih_P1130606Das Valens Aquädukt zieht sich durch das Stadtviertel Fathi

Yereban Zisterne

542 n.Chr.

Es fällt mir schwer in meiner Gedankenreise keinen Abstecher ins Jahr 1963 zu reisen, gerne hätte ich mit Sean Connery bei den Dreharbeiten zu „Liebesgrüße aus Moskau“ im Ruderboot gesessen.

Aber ich will ja schliesslich in Byzanz spazieren gehen und laufe zur Basilika die sich früher über dem Wasserspeicher befand. Die Yereban Zisterne wird durch 336 Säulen, die von den verschiedensten Orten angeschafft wurden, gestragen. Das Wasser für den Palast das über das Valens-Aquädukt aus dem Belgrader Wald kam wurde hier gespeichert. Bis zu 80 000 Kubikmeter.

20150131_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_P1140289Blickt man einer Medusa ins Gesicht wird man zu Stein. Gut, dass die beiden Medusen die sich in der Zisterne befinden auf dem Kopf stehen – dann kann nichts passieren

20150131_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_P1140307Die meisten der 336 Säulen die das Gewölbe tragen, haben korinthische Kapitelle

Der Große Palast

410 n.Chr.

Ich mache mich auf dem Weg zum großen Palast. Jetzt ist meine Fantasie gefragt, denn von dem Palast ist fast nichts übrig. Praktisch gelegen, nämlich mit eigenem Zugang zum Hippodrom, um auch kein Wagenrennen zu verpassen, hatte Kaiser Theodosius den Palast um 410 errichtet. Bis ins 10 Jahrhundert liessen die byzantischen Herrscher den Palastkomplex immer weiter ausbauen. Aber ab zirka 1150 begann der Niedergang des Palastviertels: Die byzantischen Herrscher bevorzugten kleinere, kostengünstigere Palais.
20150125_istanbul_byzanz_L1123461 Das Mosaik-Museum liegt versteckt hinter der Blauen Moschee

20150125_istanbul_byzanz_L1123469 Viele der Bodenmosaike des Großen Palastes zeigen Tierszenen

20150125_istanbul_byzanz_L1123470Im Mosaikmuseum vergessene Reste der einst prächtigen Bodenmosaike des Palastes sind das Einzige, das vom Großen Palast über ist.

Hippodrom

203 n.Chr.

Ich beame mich in meiner Zeitreise ins Jahr 530 ins Hippdrom. Es finden Pferderennen statt, und die Stadt ist vollgestopft mit Menschen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie in das 203 erbaute Hippodrom 100 000 Menschen reinpassen! Nur der Circus Maximus in Rom ist in der der antiken Welt größer, und auch die modernen Fussball-Stadien Istanbuls bieten nicht mehr als zirka 50 000 Besuchern Platz.

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Wie sind sie angereist,
lange vor Zeiten der öffentlichen Verkehrsmittel?

Nicht Fussball begeistert die Menge, alle sind verrückt nach Pferderennen. Nicht Fenerbahçe oder Galatsaray ist hier die Frage, sondern die Zirkusparteien der „Blauen“oder der „Grünen“ treten gegeneinander an.

Gut, dass ich nicht ins Jahr 532 gereist bin, denn die Zirkusparteien, die eigentlich Rennställe waren, gewannen zeitweilig starke politische Macht und mobilisierten das Volk. So kam es 532 zu den Nika-Aufständen bei denen die vermutlich bis zu 30 000 Menschen starben und die Stadt verwüstet wurde.

Das Hippodrom war sportlicher und sozialer Mittelpunkt der Stadt. Das Volk wurde belustigt, aber wie schon erwähnt besuchte auch der Kaiser gern das Hippodrom. Er hatte natürlich eine eigene Tribüne auf deren Dach ein bronzenes Viergespannt thronte. Die Venezianer entführten 1204 während des 4.Krezzuges diese Quadrige, heute ist sie in Venedig auf der Markusskirche.

Ein Geben und Nehmen (oder Nehmen und Gehen?!), sind doch die beiden ältesten Bauwerke Istanbuls auf dem Hippodrom zu finden: Ein Obelisk aus Ägypten und die bronzerne Schlangensäule aus Delphi. Vom Hippodrom ist heute auf dem At Meydanı
nur noch der Grundriss zu erkennen – der Obelisk und die Schlangensäulehalten Stellung auf der ehemaligen Mittellinie (Spina) der Rennbahn.

Ich frage mich, wo ich hier ein Bier her bekomme, oder was trinkt man bei einem antiken Pferderennen?

Millienium Stein

4.Jahrhundet

Früher ein pompöser goldgeschmückter doppelter Triumphbogen, ist der Millenium Stein heute schnell übersehen. Wahrscheinlich von Kaiser Konstantin I. im frühen 4.Jahrhundert errichtet, war derMillienium Stein der Nullpunkt aller Strassen: Von hier wurden die Entfernungen gemessen.20150131_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_P1140272

Hagia Sophia

573 n.Chr.

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Klosterkirche Pammakaristos, 12.Jhd  (Fethiye-Moschee)

12.Jahrhundert

Die Pammakaristos Kirche war eine der berühmtesten Kirchen von Byzanz.  Nach der Eroberung durch Mehmet II wurde die Kirche zwischenzeitlich zum Sitz des Patriarchaten von Konstantinopel, dann in eine Moschee und schlussendlich in ein Museum umgewandelt.20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L1123293

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L1123307Korinthisches Kapitell

20150124_tuerkei-istanbul-byzanz-konstantinopel_L11233021315 wurde die Kirche um eine reich mit Fresken und Mosaiken ausgestattete Seitenkappelle ergänzt, von denen noch heute einige erhalten sind

Pantokrator Kirche (12.Jdh) (Zeyrek Moschee)

Einst die Kirche, die zur größten Klosteranlage der Stadt gehörte. Nach der Einnahme der Stadt durch Mehmet II aus der Kirche über nach eine Moschee und aus der Klosteranlage eine theologische Hochschule.20150124_istanbul_byzanz_L1123355

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Irenenkirche

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1203/1204 gelang es den Kreuzfahrern des 4. Kreuzzuges, durch einen Zufall über die weniger gut befestigten Seemauern in die Stadt einzudringen und sie fast vollkommen auszuplündern. Von dieser Katastrophe sollte sich die byzantinische Kaiserresidenz nie mehr vollständig erholen.

Links zu allen offiziellen Webseiten der Museen findest du hier.

Und zum Abschluss doch noch einmal:
ISTANBUL not KONSTANTINOPEL!

 

Lies hier mehr: Hier geht’s zu meinen Lesetipps zu Istanbul.

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